Freitag, 5. Januar 2007

März 2006

Damaskus, März 2006


Grüne Grüße aus Damaskus!


Die Phase des bisher größten Andrangs an Besuchern haben wir mittlerweile gut überstanden – in den letzten fünf Wochen kam halb Deutschland nach Syrien, um sich diese einmalige Chance auf einen Besuch hier nicht entgehen zu lassen! Und das schönste daran war: jedem hat es offensichtlich sehr viel Spass gemacht, Land und Leute zu erleben, das Wetter zu geniessen und sich auf dieses „exotische“ Land einzulassen. Vielen Dank an alle, die sich von diversen, teils etwas eigenartigen Medienkampagnen nicht verunsichern liessen und uns hier in unserem selbstgewählten Exil besucht haben!

Aber auch von unserer Seite gibt es mal wieder einiges zu berichten, viel Spass beim Lesen:



Ausflüge

Der Frühling hat hier schon etwas früher als in Deutschland Einzug gehalten, aber wenn man sich anschaut, wie andere Auslandsgenossen in Dubai mit knappen 30°C auskommen dürfen, wollen wir doch gar nicht von Temperaturen reden. Dann lieber von der Atmosphäre in Syrien: eigentlich ein karges Wüstenland, aber zu dieser Jahreszeit gibt es Regionen, die vor Grün nur so strotzen!

Bestes Beispiel sind die römischen Ruinen von Apamea: bei unserem letzten Besuch im Juli vergangenen Jahres war alles kahl und braun von der Sommerhitze. Welch ein Unterschied, dort im blühenden Frühling zu sein, wo ganze Mohnwiesen rote Flecken in die saftig grüne Landschaft zaubern! Dass man dafür auch mal einen kurzen Regenschauer in Kauf nimmt, ist dann schon selbstverständlich. Und nicht zu vergessen die Obstbäume: Mandel, Kirsche und Aprikose blühen in pink, rosé und weiß wild vor sich hin und verwandeln ganze Landstriche in biblische Gärten...


Grüne Wiesen in Apamea


Selbstverständlich war auch mal wieder ein Besuch in Syriens skurrilstem Restaurant „Al Qalaa“ am Krak de Chevalier. Vorgebliche Hauptattraktion ist hier die Lage, denn der Blick direkt auf die besterhaltene Kreuzritterburg beim Mittagessen ist schon allein die Reise wert. Das eigentliche Highlight allerdings ist der Chef Anran: als ungekrönter König der Tunten im Middle East schmeißt er jedes Mal eine fantastische Show, die ihresgleichen sucht! Nicht nur, dass er in verschiedenen Sprachen brilliant parliert („mein Hähnchen ist voll lecker!“) und seine Touristengruppen absolut im Griff hat („il tè e gratis, il resto vale 50 lira, allora volete 20 caffè dolci?“), er gibt auch exzellente Tipps zur Meeresverschmutzung an der Küste („dirty, dirty, dirty“) und ist sich seiner Aussenwirkung durchaus bewußt („I am all beautiful, always!“).

Und mit der Weitergabe seiner privaten
Mobilnummer hat er uns jetzt auch in den Kreis seiner Lieben aufgenommen („next time you come, call before, you will be my guests!“). Wer Anran erleben durfte, weiß wovon wir sprechen – und wer nicht, der ahnt vielleicht, was er verpasst hat...


Mit unserem Freund Anran in seinem Restaurant



Syrischer Verkehr

Ein immer wieder faszinierendes Thema hier ist der Verkehr. Die Dynamik eines syrischen Kreisverkehrs bleibt eines der großen, ungelösten Rätsel des Universums und hat schon Heerscharen von Wissenschaftlern und ausländischen Besuchern in Verzweiflung gestürzt. Interessant ist, dass trotz des scheinbaren Chaos sich meistens alles irgendwie auflöst, weil jeder immer mit einer Dummheit des anderen rechnet. Nur wenn der Verkehrspolizist dann mal seine wohlverdiente, 2minütige Teepause im strömenden Regen auf der Verkehrsinsel einlegt (gell, Cliff?), dann kann es mal kurz zu einem kompletten Verkeilen auf der Kreuzung führen.

Einer der beliebtesten lokalen Verkehrswitze ist der von einem Deutschen, der nach
einem Unfall aussagte, ja, er wäre dem Taxi reingefahren, aber er hätte ja auch Vorfahrt gehabt. Tja, sowas löst beim Syrer allenfalls Lachsalven aus.

Wichtig ist auch die strikte Regelung alles Erlaubten und Unerlaubten durch klare Anweisungen. An roten Ampeln ist eine Uhr installiert, welche die noch verbleibenden Sekunden bis zur nächsten Grünphase anzeigt. Mit dem Resultat eines gellenden Hupkonzertes ab 5 Sekunden vor Ende dieser Zählung – man sollte doch schon mal losfahren. Hupen selbst ist übrigens generell innerhalb der Stadt verboten und an manchen Stellen wird nochmal extra per Schild darauf hingewiesen. Bis zum heutigen Tag konnte jedoch noch kein Nachweis erbracht werden, dass so ein Schild auch nur die kleinste Auswirkung auf die tatsächliche Situation gehabt hätte... Aber wichtig ist ja, dass alles funktioniert, irgendwie, und das tut es ja auch – meistens!


Spezielles Hupverbot von 16 bis 7 Uhr – wirkungslos


Nett ist auch das immer wiederkehrende Ritual bei Reisen über die Landesgrenzen hinaus. Man begibt sich an einem schönen Donnerstag nachmittag in Richtung Servicetaxi- Station. Kaum ist man ausgestiegen, beginnt schon ein wildes Feilschen und Verhandeln inmitten von Schreien „Amman!“, „Beirut!“, jeder Fahrer hat Platz, jeder will einen mitnehmen.

Besonders interessant ist dabei die Art der verfügbaren Vehikel: uralte amerikansche Schlitten, zumeist in leicht ausgeblichenem Zitronengelb, wettereifern mit ihren 5 Sitzgelegenheiten (zwei vorne, drei hinten) um die Gunst der Reisenden. Wenn man sich dann einem der Fahrer ergeben hat, versinkt man tief in den Polstern jener monströsen Gefährte und kommt erst bei einem der obligaten Stopps wieder zum Vorschein. Die Anzahl und Beschaffenheit hängt dabei von mehreren Faktoren ab (Fahrer, seine Bekanntschaften und Aufträge entlang der Strecke, Mitreisende etc.). Unsere letzte Fahrt erfolgte nach der Vier-Stopp-Strategie: Kaffee, Apotheke, Brotladen und Benzin – die beiden Grenzkontrollen sind da nicht mitgezählt.



Amerikanische Servicetaxis nach Libanon und Jordanien



Schätze der Altstadt

Nachdem ja mittlerweile wieder das Ziellos-in- der-Altstadt-Umherwander-Wetter eingekehrt ist, haben wir unsere Spaziergänge durch die jahrtausendalten Gassen wieder aufgenommen und weiter so manches Kleinod entdeckt. Einer unserer beliebtesten Stopps ist dabei der Kunsthandel- und Antiquitätenladen von Ahmed direkt neben den römischen Tempelresten in der Geraden Strasse. Immer zu einem Plausch in gutem Englisch aufgelegt – und fast schon beleidigt, wenn wir mal zwei Wochen lang nicht auftauchen – lädt er uns zum Tee ein und lässt uns in seinen Schätzen stöbern.

Das Angebot ist reichhaltig und verlockend: Boxen und Spiele mit wunderbaren Intarsienarbeiten; handgemachte Tücher und Tischdecken; reich verzierte Metalltischplatten auf hölzernen Beinchen; perlmuttbestückte Vitrinen und Truhen; alte Beduinenkaffeekannen mit langen Hälsen; Silberschmuck etc... Immer wieder ein Genuss uns dort umzuschauen, auch wenn unsere Heimfluggewichtsbegrenzung den ein oder anderen Strich durch unsere Einkaufspläne macht!


Ahmed’s Antiquitätenladen im Obergeschoß


Ja, und all diese Dinge werden wir sicher schrecklich vermissen, wenn wir wieder zurück nach Deutschland gehen – aber dafür kommen wir dann wieder in den Genuss von gehenden Duschen, lauen Grillabenden im Grünen und gemütlichem Beisammensein mit Freunden und Familie... und diese Aussicht ist ebenfalls sehr schön!

Das war es für diesen Monat,

ganz liebe Grüße aus Damaskus nach Deutschland

اندرياس و ميخايلة

A & M

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